In der Schaden-Rückversicherung unterscheiden wir im Rahmen der Risikobewertung zwischen Risiken, die aus dem Geschäftsbetrieb der Vorjahre resultieren (Reserverisiko), und solchen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb des aktuellen Jahres bzw. zukünftiger Jahre ergeben (Preis- / Prämienrisiko). Hierbei spielt das Katastrophenrisiko eine entscheidende Rolle. Zur Einschätzung der für uns wesentlichen Katastrophenrisiken aus Naturgefahren (insbesondere Erdbeben, Stürme und Fluten) werden lizenzierte wissenschaftliche Simulationsmodelle eingesetzt, die wir auf Basis der Erfahrung unserer Fachbereiche ergänzen. Ferner ermitteln wir das Risiko für unser Portefeuille durch verschiedene Szenarien in Form von Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Die Überwachung der Risiken, die aus Naturgefahren resultieren, wird durch realistische Extremszenarien vervollständigt. Im Bereich der Personen-Rückversicherung zählen biometrische Risiken, also alle Risiken, die direkt mit dem Leben einer zu versichernden Person verbunden sind, zu den wesentlich zu beurteilenden Faktoren. Zu den Risiken der Bewertung zählen beispielsweise die Fehlkalkulation der Sterblichkeit, der Lebenserwartung, der Invalidität und der Berufsunfähigkeit. Darüber hinaus müssen wir auch das Stornorisiko beurteilen, da die aus den Rückversicherungsverträgen resultierenden Zahlungsströme auch vom Stornoverhalten der Versicherungsnehmer abhängen. Ferner gilt es auch in der Personen-Rückversicherung Katastrophenrisiken zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf Ereignisse mit einer hohen Anzahl von Sterbefällen. Neuartige Risiken (Emerging Risks) haben in beiden Sparten einen direkten Einfluss auf unseren Vertragsbestand, und zwar nicht nur in Form von zukünftigen Risiken (z. B. Haftungsfragen), sondern auch in Form von Chancen, wie einer erhöhten Nachfrage nach Rückversicherungsprodukten. Daher findet zwischen unserer Arbeitsgruppe „Emerging Risks und Scientific Affairs“ und unserer zentralen Risikoüberwachung eine enge Abstimmung statt. Darüber hinaus werden die Bewertungsergebnisse in die vierteljährlichen internen Risikoberichte integriert, durch die unter anderem der Vorstand über wesentliche Risikoeinschätzungen informiert wird. Die Erkenntnisse und Risikoeinschätzungen der Arbeitsgruppe werden konzernweit genutzt, um gegebenenfalls notwendige Maßnahmen ableiten zu können. Um diesen Maßnahmenprozess zu unterstützen, haben wir ein Komitee etabliert, das die Koordination und die Umsetzung von Empfehlungen zu Emerging Risks begleitet. So stellen wir sicher, dass die Empfehlungen der Arbeitsgruppe in die Underwriting-Entscheidungen einfließen. Das Komitee übernimmt auch die finale Abstimmung von Positionspapieren und die Risikobewertung von neuen Emerging Risks.
Darüber hinaus evaluieren wir Trends und Zukunftsthemen (z. B. Wetterderivate, Ressourcenknappheit, Gesundheitsmarkt, Cyber) und die anschließende Umsetzung von erkannten Geschäftschancen über marktfähige Erst- bzw. Rückversicherungsprodukte. Dazu werden konkrete Themengebiete in bereichs- und fachübergreifenden Teams untersucht und hinsichtlich umsetzungsfähiger Geschäftschancen gesichtet. Im Rahmen dessen gehen wir ebenfalls der Frage nach, welche neuen Versicherungsprodukte entwickelt werden können, um Cyber-Risiken abzusichern. Die Häufigkeit von Cyber-Angriffen auf kritische Systeme nimmt zu. Dies kann neben großen finanziellen Schäden auch zu erheblichen Einschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens führen, insbesondere wenn kritische Infrastrukturen (KRITIS), wie beispielswiese die Sektoren Gesundheit, Transport und Verkehr oder Energie, betroffen sind. In diesen Fällen könnten nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe sowie erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit eintreten. Bereits seit einigen Jahren sind wir auf dem Markt präsent und haben entsprechende Produkte entwickelt. Im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung wuchs im Berichtsjahr die Nachfrage nach Deckungen von Cyber-Risiken. Zwar wurde der überwiegende Teil der weltweiten Versicherungsprämie noch in den USA erwirtschaftet, doch ist zwischenzeitlich ein steigendes Interesse in Europa zu verzeichnen.
Der Klimawandel, im Sinne natürlicher oder durch Menschen verursachter klimatischer Veränderungen, stellt ein bedeutendes Umweltrisiko dar. Auf Grund der Vielschichtigkeit des Themas beziehen wir neben den Versicherungsexperten auch Meteorologen, Geographen, Hydrologen und Mathematiker in den Prozess der Risikobewertung mit ein. Diese evaluieren die Naturgefahren und analysieren ihre ökonomischen Auswirkungen auf globaler und regionaler Ebene.
Im Rahmen unserer Mitgliedschaft in der Internationalen Vereinigung Versicherungsrecht AIDA (Association Internationale des Droit des Assurances) tauschen wir uns darüber hinaus mit Versicherern und Rückversicherern in der Arbeitsgruppe „Climate Change“ regelmäßig über Deckungskonzepte sowie über Schadenereignisse aus, die möglicherweise im Klimawandel begründet sind. In der Naturgefahrenforschung arbeiten wir des Weiteren mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen und unterstützen geeignete Initiativen finanziell. So sind wir z. B. langjähriger Förderer des GeoForschungsZentrum Potsdam und der Global Earthquake Model (GEM) Foundation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das öffentliche Verständnis und Bewusstsein für Erdbebenrisiken durch die Förderung der Wissenschaft und durch die Etablierung einheitlicher Standards weltweit zu erhöhen und Auswirkungen von Erdbeben auf die Bevölkerung und auf Wertekonzentrationen zu reduzieren. Unser Bereich „Naturgefahrenmodellierung“ setzt Standards für das Management der Risiken aus Naturkatastrophen. Wir entwickeln und lizenzieren Modelle für den Umgang mit Risiken aus Stürmen, Fluten, Hagel und Erdbeben und sichern deren Qualität. Seit 2015 haben wir ein probabilistisches Simulationsmodell für Erdbeben in Deutschland unter Nutzung von Daten der Global Earthquake Model Foundation entwickelt und erfolgreich in die Geschäftsprozesse implementiert.
Des Weiteren engagieren wir uns in der Projektgruppe „Hochwasserinformationen in ZÜRS“ des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Ziel ist die Veröffentlichung eines Zonierungssystems für Überschwemmungen, Rückstau und Starkregen (ZÜRS Geo). Mithilfe dieses Systems können Versicherungsnehmer identifizieren, ob ihr Wohneigentum in einer Risikozone liegt und ihren Versicherungsschutz entsprechend anpassen.
Darüber hinaus sind wir in der Arbeitsgruppe „Extreme Events and Climate Risk Working Group“ der Geneva Association vertreten. Diese Arbeitsgruppe setzt sich zum Ziel, die Ursachen von sozialen und wirtschaftlichen Risiken zu identifizieren und insbesondere Handlungsempfehlungen für die Versicherungswirtschaft zu geben, damit diese wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Ereignissen und Klimarisiken aufbaut.
In Kooperation mit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Regierungsorganisationen haben wir eine umfangreiche Wissensbasis zur Bewertung von Klimarisiken aufgebaut. Diese digitale Bibliothek umfasst derzeit bereits über 400 wissenschaftliche Papiere und wird stetig erweitert. Die Arbeiten befassen sich u. a. mit dem Einfluss des Temperaturanstiegs auf Naturkatastrophen und der Korrelation von Naturkatastrophen zwischen Regionen.
Zusätzlich nehmen unsere Experten regelmäßig an Konferenzen teil.
Unsere für das Deutschlandgeschäft zuständige Tochtergesellschaft E+S Rück bietet verschiedene Dienstleistungen und Anwendungen an, um ihren Kunden potenzielle Risiken aufzeigen zu können. Für derartige Dienstleistungsangebote an unsere Kunden wurden zum Beispiel die Simulationsmodelle „es | bebt“ und „es | hagelt“, ein Dienstleistungsangebot zur Risikoeinschätzung der Gefahr von Flut in Deutschland („es | flutet“) sowie Simulationsmodelle zur Ermittlung und Darstellung von möglichen (Extrem-)Ereignissen und den verursachten Schäden entwickelt. Ähnliche Hilfsmittel wurden für die Bewertung und Einschätzung von Unfallrisiken erarbeitet („es | unfallt“). Bei der Funktionellen Invaliditätsversicherung unterstützt die E+S Rück ihre Kunden mit der Risikoprüfsoftware „es | meRiT“ und ermöglicht dabei durch risikospezifische Bedingungsanpassungen auch gesundheitlich vorbelasteten Personen die Absicherung von Unfall- und weiteren Invaliditätsrisiken.
Die E+S Rück arbeitet mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen. So unterstützt etwa der Reha-Dienstleister RehaAssist schwerverletzte Versicherungsnehmer bei der schnellstmöglichen und umfassenden Heilung. Der Malteser Hilfsdienst e.V. bietet Assistance- Leistungen an und erleichtert so Versicherungskunden, die sich bei einem Unfall verletzt haben, die Wiedereingliederung in den Alltag.
Wir wollen unseren Kunden eine ganzheitliche und individuelle Betreuung bieten und sie neben der reinen Risikoübernahme auch im Dienstleistungsbereich erfolgreich unterstützen. So bieten wir unseren Kunden im Personen-Rückversicherungsgeschäft mit „hr | ReFlex“ ein modulares, automatisches System, welches eine qualifizierte und schnelle Risikoprüfung direkt am Point-of-Sale (beispielsweise am Bankenschalter, in einem Telefoninterview oder online) ermöglicht. Im Bereich der medizinischen Risikoeinschätzung thematisieren wir aktuelle und relevante medizinische Inhalte unter anderem in unserem Newsletter „ReCent“. Auch unser elektronisches Underwriting-Handbuch „hr | Ascent“, welches unsere Kunden ganzheitlich bei der individuellen Antragseinschätzung unterstützt, wird kontinuierlich überarbeitet und weiterentwickelt, sodass wir die aktuellen Marktentwicklungen zu jedem Zeitpunkt angemessen abbilden können. Des Weiteren sind wir durch unser internationales Netzwerk in der Lage, neue, innovative Rückversicherungslösungen schnell und auf direktem Weg in andere Märkte zu transferieren.